Wissenschaft, Gesellschaft und Verwaltung diskutierten am 12. September 2022 Wege, das Lüneburger Stadtklima abzukühlen. Veranstaltungsort war der Marienplatz, der in Lüneburg ein Parkplatz in der Innenstadt ist. Die Zukunftsstadt hatte ihn für drei Monate „besetzt“, um Ideen von Bürger:innen und Klimaanpassungsmaßnahmen zu testen. Bild: Zukunftsstadt

Grüne Backsteinstadt

Die Folgen des Klimawandels haben auch auf die enge und stark asphaltierte Altstadt von Lüneburg starken Einfluss. In dem Experiment „Grüne Backsteinstadt“ versammelten sich Wissenschaftler:innen, Stadtplaner:innen und Zivilgesellschaft, um die Gefahrenstellen zu ermitteln, die Daten zu erfassen und Lösungen vorzustellen.
Nach dem Abschluss der Zukunftsstadt im Juni 2023 veranstalten der Verein T.U.N., das Klimaschutzteam der Hansestadt und Engagierte erstmals das Dach- und Fassadenforum. Hier kommen Theorie und Praxis zusammen und Lüneburger:innen erhalten Ideen und Tipps, wie sie selbst zur Stadtbegrünung beitragen können. Die Fördermittel für die Veranstaltung stammen noch aus dem Projekt Zukunftsstadt.

IDEE

Eine historische und eng bebaute Altstadt prägt Lüneburg. Dazu kommen viele private oder gewerblich genutzte Hinterhöfe. Mit Blick auf künftig häufiger auftretenden Hitzestress und Starkregenereignisse sowie unter Berücksichtigung von Lüneburgs grüner Historie bergen diese Flächen großes Potenzial, ökologisch aufgewertet zu werden. Dabei sind Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung, Entsiegelung und Aufhellung von befestigten Flächen oder Ergänzung des Baumbestandes sinnvolle Möglichkeiten, um je nach Standort mehr Grün in die Stadt zu bringen.

Die grundsätzliche Frage ist: Wie kann die (Re-)Aktivierung historischer Hinterhofgärten, die Begrünung von Hauswänden, Durchgängen und Garagendächern und die Entsiegelung von Stellflächen helfen, Hitzestress und starkregenbedingte Überflutungen zu verringern? Welcher positive Effekt ergibt sich für die Biodiversität durch innerstädtische grüne Pflanzeninseln?

UMSETZUNG

Das Experiment Grüne Backsteinstadt konzentrierte sich auf drei Kooperationen:

  • Kooperation mit dem Climate Helmholtz-Zentrum hereon GmbH und dem Climate Service Center Germany (GERICS): Erstellung von Analysen zur Hitzebelastung auf drei Lüneburger Plätzen im Rahmen einer Masterarbeit mit Unterstützung erfahrener Klimawissenschaftler (s.u. Ergebnisse und Veranstaltungsbericht)
  • Kooperation mit dem Klimateam der Hansestadt Lüneburg: Unterstützung vorhandener Aktivitäten und der Öffentlichkeitsarbeit zu Klimaschutz, Klimaanpassung und Energiesparen.
  • Unterstützung der Lehre an der Leuphana Universität: Diverse Seminare und Interviewanfragen von Studierenden wurden unterstützt und Vorträge gehalten

Impressionen aus Veranstaltung „statt.grau.GRÜN.“ am 14.Oktober 2023 zum Thema Fassadenbegrünung. Fotos: Leuphana Universität Lüneburg

Veranstaltungsbricht: Luftmassen wabern durch die Stadt

Am 12. September 2022 erläuterten Wissenschaftler*innen und Stadtplaner*innen gemeinsam mit Mitarbeitenden der Zukunftsstadt, wie Hitzeinseln in Lüneburg verhindert werden können.

Wenn man den Stadtklima-Forschern des Hereon und GERICS zuhört, klingen ihre Berichte wie aus einer anderen Welt. Nicht nach der soliden Backsteinstadt Lüneburg, sondern von einem ätherischen Ort, wo schwere, kalte Luftmassen vergleichbar wie Wasser durch die Gassen fließen, beziehungsweise langsam „wabern“ und Wärmestrahlungen gen Universum verschwinden.

Was hat das mit unserem Alltag zu tun? Er ist bestimmt von den aktuell auftretenden Wetterlagen und den langfristigen Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt.

Das heißt: Hitzesommer oder Starkregenereignisse wirken stärker auf unser Leben in der Stadt. Zu verstehen, wie genau sich solche Wetterlagen auswirken oder wie Strömungen kühle Luft bis in die Innenstadt bringen, ist eine wesentliche Grundlage, um mit den Auswirkungen des Klimawandels zurechtzukommen. Das nennt sich dann Klimafolgenanpassung. Wir wissen, dass die Herausforderungen durch extreme Wetterlagen größer werden. Also tun wir gut daran, Stadtstrukturen daran anzupassen.

Lokale Forschungen zu Starkregen

Bei der Stadtklima-Veranstaltung am 12. September auf dem Marienplatz teilten die Wissenschaftler Prof. Markus Quante (Helmholtz-Zentrum Hereon, Honorarprofessor an der Leuphana Universität) und Dr. Markus Groth (Climate Service Center Germany – GERICS) ihr Wissen mit etwa 15 anwesenden Zuhörer*innen. Sie brachten die Ergebnisse der Stadtklima-Forschung zu Hitze und Hochwasser aus anderen Städten wie etwa Bleckede und Boitzenburg mit, die auf Stellwänden gezeigt wurden. Tobias Neumann aus der Stabstelle Nachhaltige Stadtentwicklung der Hansestadt Lüneburg ergänzte dazu den aktuellen Stand in Lüneburg. Auch hier gibt es Gutachten, welche Bereiche der Stadt sich an extremen Hitzetagen am meisten aufheizen oder wie sich Starkregenereignisse im Stadtgebiet auswirken. Über viele städtische Maßnahmen informieren die Internetseiten des Lüneburger Klimaschutz-Teams.

 
Anhand von Postern zu Forschungsergebnissen und dem Stadtplan Lüneburgs werden Potenziale und Hindernisse erörtert. Foto: Zukunftsstadt

 

Gefühlte 60 Grad in der prallen Sonne

Sara Reimann, Projektmanagerin des Zukunftsstadt-Projektes, erklärte: „Als Zukunftsstadt versuchen wir stets in enger Kooperation mit Wissenschaftlern zu arbeiten. Im Bereich Stadtklima konnte so mit Hereon und GERICS eine Masterarbeit mit Analysen zu drei ausgewählten Plätzen entstehen.“

In Computersimulationen hat die Studentin Miriam Potyka beispielsweise gezeigt, wie sich verschiedene Begrünungsmöglichkeiten auf die Aufenthaltsqualität des Marienplatzes auswirken. Um 13 Uhr an einem heißen Sommertag mit über 30 Grad Celsius Lufttemperatur kann durch die Hitzestrahlung der Sonne und des Asphalts, eine gefühlte Belastung des Körpers von rund 60 Grad Celsius entstehen. Begrünung und mehr Schatten reduzieren diese Belastung deutlich. Neben Bäumen können auch schattenspendende Sonnensegel oder Wasser- und Rasenflächen, helleres Bodenpflaster und eine gute Luftzirkulation einen Ort schaffen, der eine Verschnaufpause an Hitzetagen bietet.

Mehr Vögel und Insekten

Die Zuhörer*innen fügten hinzu, dass mehr Begrünung auch Aufenthaltsräume für Vögel und Insekten bietet. Ein wichtiger Nebeneffekt, wie Prof. Quante bestätigte. Mit der richtigen Auswahl an Pflanzen bieten auch Dach- und Fassadenbegrünung einen Lebensraum für mehr Artenvielfalt in der Stadt. Dass in denkmalgeschützten Teilen der Lüneburger Innenstadt nicht alle Fassaden begrünt werden können, ist allen klar. Interessiert guckten die Gäste aber auf den Luftbild-Teppich, auf dem in diesem Zusammenhang die vielen Flachdächer von Kaufhäusern aufgezeigt wurden: Hier ist noch viel Potenzial für Dachbegrünung, so die einhellige Meinung.

Was beim Neupflanzen von Bäumen zu beachten ist

Wie wäre es auch mit mehr Bäumen in den Gassen Lüneburgs? Hier brachte Tobias Neumann die differenzierte Sichtweise des Stadtplaners ein: Sicherlich kann man an einzelnen Stellen Bäume ergänzen. Leitungen im Untergrund erlauben aber nicht an jeder Stelle Bäume. Auch Rettungswege und Feuerwehrzufahrten müssen frei bleiben. In der Altstadt gibt es also keine Standardlösungen, eher gezielte Maßnahmen für einzelne Standorte.

Beratung für Hausbesitzer*innen

Sara Reimann gab allen zum Schluss mit: „Die Zukunftsstadt bleibt den Lüneburger Potenzialen auf der Spur. Dazu gehört das Experiment Grüne Backsteinstadt, in dem die Lösungssuche vertieft wird. Einzelne Immobilieneigentümer*innen können aber schon jetzt die Förder- und Beratungsangebote des Klima-Teams der Hansestadt in Anspruch nehmen – für Klimaschutzmaßnahmen im eigenen Heim oder Unternehmen.“

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ERGEBNIS

Hitzebelastete Plätze in Lüneburg - Begrünungskonzepte

Ergebnisse einer wissenschaftlichen Analyse

Titel „Die Wirkung von Begrünungskonzepten auf das Mikroklima an hitzebelasteten Standorten Lüneburgs“ – Stand: Sept. 2022

Autoren: Miriam Potyka, Markus Groth, Markus Quante und Steffen Bender

Beteiligte Institutionen: Climate Service Center Germany (GERICS) – Helmholtz-Zentrum hereon GmbH; Leuphana Universität Lüneburg.

Grundlage für die Analyse ist die Masterarbeit von Miriam Potyka, folgende Dokumente stehen zum Download zur Verfügung:

 

Bild: Beispielhafte Visualisierung der Hitzeentwicklung auf dem Marienplatz mittags an einem heißen Sommertag. Während die Bereiche, wo Bäume stehen, noch relativ kühl bleiben, heizen sich die Asphaltbereiche sehr stark auf. Hier kommen Lufttemperatur und Strahlungswärme zusammen, so dass Menschen körperlich stark belastet werden.

Was bleibt?

Zu den Möglichkeiten der Klimaanpassung und dem Förderprogramm der Hansestadt Lüneburgs zur Dach- und Fassadenbegrünung informieren sie sich hier.

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