Die Erde voller Leben. Bild: Zukunftsstadt

Der Grüne Giebel

Im Experiment „Der Grüne Giebel“ drehte sich alles um die Möglichkeiten einer lokalen CO2-Kompensation für in Lüneburg ansässige Unternehmen und Institutionen. Die Kompensation von Treibhausgasen ist eine wichtige Maßnahme zum Klimaschutz und im Rahmen des Grünen Giebels wurden Möglichkeiten diskutiert, ob und wie lokale CO2-Kompensation funktionieren könnte.

IDEE

„Der Grüne Giebel“ sollte ein Siegel sein, das Produkte, Dienstleistungen und Organisationen auszeichnet, die ihren unvermeidbaren CO2-Ausstoß durch lokale Kompensationsmaßnahmen oder -angebote ausgleichen. Damit könnten Lüneburger*innen beim Kauf von solchen Produkten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die lokalen Kompensationsmaßnahmen würden den CO2-Ausstoß hier vor Ort ausgleichen, indem bodenaufbauende Maßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen durchgeführt werden. Die Produkte wären eine Alternative zu weniger transparenten Angeboten, die Konsument*innen ansonsten zur Verfügung stehen. Durch die Einführung des Siegels „Der Grüne Giebel“ sollte die Verbindung zwischen der Stadt Lüneburg zu den umliegenden ländlichen Gebieten gestärkt und der lokale Konsum weitgehend frei von Auswirkungen auf das globale Klima werden.

Teilnehmende des Leuphana Seminars entnehmen gemeinsam mit Jochen Hartmann Bodenproben. Bild: Zukunftsstadt

Im Laufe des Experimentes wurde deutlich, dass die CO2-Gehalte im Boden aufgrund zahlreicher, nicht oder wenig beeinflussbarer Faktoren (z. B. Wetterereignisse, Fruchtfolge) so stark schwanken, dass sie auf kurze Sicht (z. B. über ein Jahr betrachtet) nicht sinnvoll quantifiziert werden können.  Entsprechend können Kompensationsangebote, die die positive Entwicklung von CO2-Gehalten in Ackerböden finanziell honorieren wollen, auf keinen gesicherten Zahlen aufbauen. Auch im wissenschaftlichen Diskurs zur CO2-Kompensation wurde dieser Aspekt mehrfach kritisiert. Als Alternative sollte untersucht werden, ob eine Kompensation über die Umwandlung von Holz aus lokalen Agroforstsystemen in Pflanzenkohle und anschließender Einbringung dieser Pflanzenkohle in den Ackerboden erfolgen kann.

 

UMSETZUNG

Für das Experiment arbeitete die Leuphana Universität Lüneburg eng mit dem Landwirt Jochen Hartmann zusammen, der seine landwirtschaftlich genutzten Flächen und sein langjähriges Praxiswissen zur Verfügung stellte, um mit Studierenden der Universität und Frau Prof. Dr. Brigitte Urban die Entwicklung seiner Ackerböden untersuchen zu können. Aus der Kooperation entstanden einige Abschlussarbeiten, mit denen der Status Quo der Ackerböden bestimmt und die Humusentwicklung der kommenden Jahrzehnte modelliert werden konnte.

Parallel wurde die Möglichkeit diskutiert, CO2 über das Einbringen von Pflanzenkohle in den Boden langfristig zu binden. Die Pflanzenkohle sollte aus Bäumen aus Agroforstsystemen der Region hergestellt, im landwirtschaftlichen Betrieb verwertet und zuletzt als Bodenhilfsstoff eingesetzt werden. Dieser Ansatz zur CO2-Kompensation ist erheblich teurer als die am Markt etablierten Kompensationsangebote. Allerdings lassen sich sicherere Prognosen des im Boden gespeicherten CO2 treffen, und die gespeicherten Mengen sind auch tatsächlich messbar.

LZ-Sonderseite vom 21.06.2021

Entscheidend für die Umsetzbarkeit ist zudem auch die Bereitschaft der Lünerburger*innen, solch ein Kompensationsangebot anzunehmen. Wie viel die Lüneburger*innen bereit wären, für ein solches Angebot zu investieren, wurde im Rahmen der Lüneburger Wandelwoche 2022 erfragt. Ein Ergebnis dieser Befragung war, dass die Bereitschaft anstieg, je mehr Details die befragten Lüneburger*innen zum Kompensationsangebot erhielten. Gleichzeitig braucht es aber auch Landwirt*innen, die bereit sind, Agroforstsysteme anzulegen und das Holz zu Pflanzenkohle zu verwerten. Dieser Punkt stellte sich im Lauf des Experiments als größte Schwierigkeit heraus, denn der Experimentzeitraum fiel zusammen mit dem Beginn der Ukraine-Krise, die die Landwirtschaft im Jahr 2022 vor große Herausforderungen stellte. Die Betriebe, die ohnehin schon durch die Dürren der vergangenen Jahre belastet waren, sahen daher keine Spielräume, in langfristige Konzepte wie Agroforst-Pflanzenkohle-CO2-Speicherung zu investieren.

Studierende der Universität besuchen gemeinsam mit Frau. Prof. Dr. Brigitte Urban den Hof Hartmann in Rettmar. Bilder: Zukunftsstadt

ERGEBNIS

Die Umwandlung von Holz aus lokalen Agroforstsystemen in Pflanzenkohle und Einbringung dieser Kohle in die Böden als Kompensationsmaßnahme ist die vielversprechendste Idee, die während des Experiments diskutiert wurde. Hier könnten neue, langfristiger angelegte wissenschaftliche Projekte ansetzen. Denn während des Experiments wurde deutlich, dass die relativ kurzen Zeithorizonte von Semestern und Forschungsprojekten nicht immer kompatibel sind mit der langfristigen und jahreszeitenabhängigen Planung in der Landwirtschaft.

Im gemeinsamen Arbeiten haben aber sowohl die Studierenden und Wissenschaftler*innen als auch die Praxispartner*innen voneinander lernen können und eine gute Vertrauensbasis für zukünftige, gemeinsame Projekte geschaffen: Mehrere Studierende widmeten sich im Rahmen des Experiments unter Anleitung einer erfahrenen Wissenschaftlerin einer Forschungsfrage, die unmittelbar an die Lebenswirklichkeit des beteiligten Landwirts anknüpfte (»Wie kann ich durch Humusaufbau meinen Boden resilienter machen?«). Die Studierenden lernten, wie sie Humusgehalte und andere relevante Faktoren in landwirtschaftlich genutzten Böden bestimmen oder auch zukünftige Entwicklungen des Humusgehalts modellieren konnten. Dem Landwirt halfen die Erkenntnisse aus den Untersuchungen, dem Ziel des Humusaufbaus ein Stück näher zu kommen, während durch diesen Humusaufbau bereits »quasi nebenbei« CO2 im Boden gebunden wurde.

Forschungsergebnisse

Bei Interesse zu den genauen Ergebnissen bitten wir Prof. Dr. Brigitte Urban zu kontaktieren.

Sechs Bachelorarbeiten:

  • Kuhr, L. (2019). Bodenkundliche Untersuchungen eines sandigen Ackerstandorts zu einem Humusaufbau im Raum Lüneburg. Bachelorarbeit, Leuphana Universität Lüneburg, unveröff..

  • Groth, J.P. (2019). Auswirkungen von Hühnermobilen in Agroforstflächen auf ausgewählte Bodenparameter – am Beispiel eines landwirtschaftlichen Betriebes in Lüneburg Rettmer. Bachelorarbeit, Leuphana Universität Lüneburg, unveröff.

  • Brög, T. (2020). Auswirkungen von Untersaat und Mulch Düngung auf bodenmikrobiologische Kennwerte eines sandigen Ackerbodens im Landkreis Lüneburg. Bachelorarbeit, Leuphana Universität Lüneburg, unveröff..

  • Nikolaus, K. (2020). Scenario oriented application of the universal soil loss equation on agricultural used areas in the Lüneburg Heath. Bachelorarbeit, Leuphana Universität Lüneburg, unpubl..

  • Rickert, A. M. (2020). Bodenkundliche Untersuchungen zur Kohlenstoffdynamik eines landwirtschaftlich genutzten Sandstandorts im Raum Lüneburg. Bachelorarbeit, Leuphana Universität Lüneburg, unveröff..

  • Hillenbrand, L. S. (2021). Stickstoffgehalte landwirtschaftlich genutzter Böden im Raum Lüneburg in Bezug auf Bewirtschaftung und Bodenbeschaffenheit. Bachelorarbeit, Leuphana Universität Lüneburg, unveröff..

Eine Masterarbeit:

  • Rentschler, N. (2021). Modellierung zum Einfluss von Bewirtschaftung und Klima auf den Humusgehalt sandiger Ackerböden in der Lüneburger Heide. Masterarbeit, Leuphana Universität Lüneburg, 132 S., unveröff..

Was bleibt?

Die Veranstaltungen sowie Seminare im Experiment „Der Grüne Giebel“ konnten einige Lüneburger*innen und Studierende der Leuphana Universität für das Thema der Kompensation durch Pflanzenkohle sensibilisieren. Darüber hinaus können die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen für die weitere landwirtschaftliche Arbeit genutzt werden. Durch die enge Zusammenarbeit konnte sich der beteiligte Landwirt dem Thema Pflanzenkohle annähern. Es wurden außerdem Impulse gesetzt, damit lokale Kompensationsmaßnahmen generell und auch die Herstellung von Pflanzenkohle als konkrete Umsetzungsidee zukünftig mehr Aufmerksamkeit erhalten werden.

Kontakt:

Dr. Antje Seidel

Email: antje.seidel@leuphana.de

Telefon: 04131 677 2683

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